Wertschätzend! Alles und jeder ist wertschätzend! Dieses Wort wird inflationär gebraucht. Und alles, was inflationär gebraucht wird, verliert an Bedeutung, wird beliebig. Dabei geht es doch bei der allseits erwähnten Wertschätzung darum, Menschen in ihrer Einzigartigkeit zu sehen und zu würdigen. Mir scheint es aber eher so, als nähme die wertschätzende Haltung mit der Häufigkeit der Erwähnung ab. Oft habe ich den Eindruck, als verwechselten viele das Erwähnen dieses Wortes mit der Umsetzung. Die Wertschätzung erschöpft sich dann in der Ankündigung derselben. „Ich möchte meinen Mitarbeitern wert schätzend rüber bringen, dass sie das völlig anders machen müssen „. Und dann beginnt das Klagen darüber, wie unfähig und unmotiviert das Team ist. Mager wird dann eher die Frage beantwortet, was die einzelnen Mitarbeiter richtig gut machen. Aber genau diese Erkenntnis ist die Grundlage der vielbemühten Wertschätzung. Es klingt ohnehin eher nach einer sehr geschäftlichen Einschätzung eines Warenwertes. Den Wert zu schätzen sagt noch nichts darüber aus, wie hoch wir diesen Wert einschätzen.
Vielleicht können wir diesem Begriff mehr Leben einhauchen, wenn wir -ernst gemeinte- Synonyme verwenden. „Achtung“, „Anerkennung“ nennt der Duden. „Wohlwollen“ ist mein Favorit. Es lohnt sich, darüber nach zu denken, was wir damit verbinden. Das frischt den Blick auf den „Wertgeschätzten“ auf.
Und es holt dieses Wort aus der ermüdenden Endlosreihe von nachjustierten Stellschrauben, mitgenommenen Mitarbeitern, dargestellten Terminen und was es sonst noch so seltsame Wortgebilde gibt, heraus. Wie Versatzstücke werden diese Worthülsen je nach Thema hin und hergeschoben. Ein bisschen mehr Einfachheit, Direktheit und Vielfalt in der Sprache wünsche ich mir. Es ist nämlich tatsächlich ein kleiner Unterschied, ob ich meinem Mitarbeiter wohlwollend, anerkennend oder mit Achtung begegne. Über diese kleinen Nuancen nach-zu-denken, kostet genau die Zeit, die jeder Mitarbeiter mindestens an Aufmerksamkeit verdient.
Anke Engelhard